Insolvenzrecht: Gesetz zur Reform der Insolvenzanfechtung in Kraft getreten
Aktuelles zum Thema Insolvenzrecht und Anfechtungsrecht: Am 05.04.2017 ist nunmehr das bereits seit September 2015 vorbereitete und angekündigte Gesetz zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechtes in Kraft getreten. Der Bundestag hat am 16.02.2017 das Gesetz verabschiedet.
Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz enthält folgende Änderungen, die sich auf den Wirtschaftsverkehr bei kongruenten Deckungen auswirken sowie den zusätzlichen Schutz der Arbeitnehmer bezwecken.
- Die bisherige Anfechtungsfrist des § 133 InsO von 10 Jahren wird nach der Neuregelung des § 133 Abs. 2 InsO nunmehr begrenzt auf eine Frist von 4 Jahren vor dem Insolvenzantrag. Diese Verkürzung der Anfechtungsfrist auf 4 Jahre gilt allerdings ausschließlich für Deckungshandlungen, unabhängig davon ob es sich hierbei um kongruente oder inkongruente Deckungshandlungen handelt. Bei einer Deckungshandlung wird dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt, wie z.B. die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung.
Andere Anwendungsfälle des § 133 InsO werden dagegen weiterhin von der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 InsO erfasst, so z.B. bei Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen. - Bei kongruenten Deckungshandlungen, also der Gewährung einer Befriedigung oder Sicherheit zu Gunsten des Anfechtungsgläubigers, die er in der Art und zu der Zeit zu beanspruchen hat, ist zukünftig zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht mehr ausreichend, dass der Gläubiger lediglich die drohende Zahlungsunfähigkeit kannte. Die Kenntnis des Gläubigers vom erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wird demnach nur noch vermutet, wenn der Gläubiger die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit tatsächlich kennt. Diese Regelung ergibt sich aus dem neu gefassten § 133 Abs. 3 S. 1 InsO. Ferner wird eine widerlegliche gesetzliche Vermutungsregel eingeführt, wonach bei Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung oder der Vereinbarung einer sonstigen Zahlungserleichterung eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht vorliegt. Hierdurch soll dem Gläubiger, der sich auf eine Zahlungserleichterung und Ratenzahlung einlässt, Rechtssicherheit gegeben werden, nachdem die Rechtsprechung des BGH zuletzt unter bestimmten Voraussetzungen die Vorsatzanfechtung bei Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen zugelassen hat. Hiervon erfasst sind auch Ratenzahlungsvereinbarungen, die vom Gerichtsvollzieher gemäß § 802b ZPO abgeschlossen werden.
- Nach der bisherigen Regelung waren sogenannte Bargeschäfte gemäß §§ 142, 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO liegt vor, wenn für die Leistung des Schuldners eine unmittelbar gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt. Die Neuregelung in § 142 Abs. 1 InsO besagt nunmehr, dass ein Bargeschäft gemäß § 133 Abs. 1 InsO nur noch dann anfechtbar ist, wenn der Schuldner unlauter handelt. Eine gesetzliche Definition des Begriffs „unlauter“ existiert nicht, sodass hier in absehbarer Zukunft mit entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidungen zu rechnen sein wird. Eine unlautere Handlung soll demnach dann vorliegen, wenn der Schuldner mit seiner Leistung eine Handlung vornimmt, die der Haftungsvereitelung dient. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um keinen gleichwertigen Austausch von Leistung und Gegenleistung handelt, der Schuldner mithin Vermögensgegenstände unter Wert veräußert.
Ferner wird der Begriff der Unmittelbarkeit in § 142 Abs. 2 InsO nunmehr gesetzlich definiert. Demnach liegt eine unmittelbare Leistung vor, wenn diese nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Auch hier besteht insoweit ein erheblicher Interpretationsspielraum. Bislang ist davon auszugehen, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang im Geschäftsverkehr besteht, wenn der Zeitraum zwischen Leistung und Gegenleistung max. 30 Tage beträgt. Zum Schutz der Arbeitnehmer wurde die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in das Gesetz aufgenommen. Demnach sind Entgeltzahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer auch dann noch in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu sehen, wenn der Zeitraum zwischen der Erbringung der Arbeitsleistung und der Auszahlung des Arbeitsentgelts max. 3 Monate beträgt. Die Regelung gilt ebenso, wenn das Arbeitsentgelt von einem Dritten gezahlt wurde und dies für den Arbeitnehmer jedoch nicht erkennbar war. Hiervon erfasst werden Fälle in Unternehmen, die in einem Konzern verbunden sind, bei denen die tatsächlichen Entgeltzahlungen nicht vom Arbeitgeber direkt, sondern von einer hierfür gesondert bestehenden Gesellschaft im Konzernverbund durchgeführt werden. - Die bisherige Verzinsung von Anfechtungsansprüchen wurde ebenfalls geändert. Bislang konnte der Insolvenzverwalter innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren nach Insolvenzeröffnung den Anfechtungsanspruch geltend machen. Der Anfechtungsanspruch selbst war bereits ab Insolvenzeröffnung zu verzinsen. Die Neuregelung des § 143 Abs. 1 InsO besagt nunmehr, dass der aufgrund des Anfechtungsanspruchs bestehende Rückgewähranspruch gemäß § 143 InsO nur noch zu verzinsen ist, wenn die Voraussetzung des Verzugs vorliegen. Dies setzt somit voraus, dass der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch gegenüber dem Anfechtungsgegner geltend gemacht und ihn nach den allgemeinen Regelungen in Verzug gesetzt hat.
- Die neue gesetzliche Regelung gilt für Neufälle, somit für Insolvenzverfahren, die nach Inkrafttreten eröffnet werden. Gemäß Art. 103 EG InsO gilt die Gesetzesänderung bezüglich der Verzinsung dagegen auch bereits für Altfälle.
Angesichts der teilweise unklaren gesetzlichen Neudefinitionen ist voraussichtlich auch zukünftig ein gerichtlicher Regelungsbedarf zu erwarten. Die Voraussetzungen zur Vorsatzanfechtung sind grundsätzlich nunmehr für den Insolvenzverwalter erschwert. Ob dies zu der erhofften Wirkung zum Schutz des Geschäftsverkehrs führt, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarung einer Ratenzahlung oder sonstigen Zahlungserleichterung, bleibt abzuwarten. Erfreulich im Sinne der Gläubigergleichbehandlung ist, dass die ursprünglich vorgesehene Änderung der Anfechtung inkongruenter Deckungen gemäß § 131 InsO bezüglich der Privilegierung öffentlicher Gläubiger, insbesondere des Fiskus sowie der Sozialversicherungsträger, entfallen ist. Zugunsten der Arbeitnehmer ist bei rückständigen Entgeltzahlungen mehr Rechtssicherheit eingetreten.
Bei Fragen zum Thema Anfechtungsrecht sowie sämtlichen Themen zum Insolvenzrecht stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung.
Markus J. Schneeberger
Fachanwalt für Insolvenzrecht