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ÄNDERUNGEN IM DEUTSCHEN URLAUBSRECHT DURCH ZWEI ENTSCHEIDUNGEN DES EUROPÄISCHEN GERICHTSHOFS (EuGH)

Zwei Entscheidungen des EuGH im November 2018 führen zu erheblichen Veränderungen im deutschen Urlaubsrecht (Urlaubsrecht EuGH).

1.

EuGH-Urteil vom 06.11.2018 – C-569/16 und C-570/16:
Urlaubsabgeltungsanspruch geht bei Tod des Arbeitnehmers auf die Erben über.

Der Anspruch auf Jahresurlaub beinhaltet die Bezahlung des gewöhnlichen Entgelts in der Ruhe- und Entspannungszeit. Durch das Urlaubsentgelt soll dem Arbeitnehmer eingeräumt werden, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Wenn das Arbeitsverhältnis vor der tatsächlichen Urlaubsinanspruchnahme endet, ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, den ihm zustehenden Jahresurlaub zu nehmen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage. Der Grund für die Beendigung spielt nach Ansicht des EuGH dabei keine Rolle. Durch den Tod wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, die Entspannungs- und Erholungszeiten tatsächlich wahrzunehmen.

Nach Ansicht des EuGH bleibt der Anspruch auf Bezahlung erhalten, da dieser rein vermögensrechtlicher Natur und dazu bestimmt ist, in das Vermögen des Arbeitnehmers überzugehen. Durch den Tod des Arbeitnehmers kann dieser vermögensrechtliche Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht rückwirkend entzogen werden. Um die praktische Wirksamkeit des dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen, ist beim Tod des Arbeitnehmers ein finanzieller Ausgleich unerlässlich. Den Erben steht daher der Urlaubsabgeltungsanspruch des verstorbenen Arbeitnehmers zu. Wenn der verstorbene Arbeitnehmer bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber beschäftigt war, begründet dies der EuGH mit einer unmittelbaren Anwendung des Art. 7 der Arbeitsrechtsrichtlinie, bei einem privaten Arbeitgeber zieht der EuGH Art. 31 II der EU-Grundrechtscharta zur Begründung heran.

2.

EuGH-Urteil vom 06.11.2018 – C-619/16 und C-684/16:
KEIN AUTOMATISCHER VERLUST DES ANSPRUCHS AUF BEZAHLTEN JAHRESURLAUB ZUM JAHRESENDE

Das deutsche Urlaubsrecht sieht in § 7 BUrlG vor, dass Urlaub, der in einem Urlaubsjahr nicht genommen wurde, zum Jahresende verfällt. Arbeitgeber waren daher bisher nicht gehalten, Rückstellungen für nicht genommenen Urlaub ihrer Arbeitnehmer zu bilden (Zu: Urlaubsrecht EuGH).

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 06.11.2018 nun festgestellt, dass der Erholungsurlaub nicht verfallen dürfe, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag stelle. Im konkreten Fall (C-684/16) hatte der zum Jahresende 2013 ausgeschiedene Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für 51 nicht genommene Urlaubstage aus den Jahren 2012 und 2013 verklagt. Das Bundesarbeitsgericht hatte die Sache dem EuGH vorgelegt. Der EuGH hält den Arbeitgeber für verpflichtet, konkret dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nimmt. Dementsprechend hat ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer aufzufordern, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber muss ferner seinen Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass der Urlaub verfällt, wenn ihn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Bezugszeitraums nicht genommen hat. Im Streitfall muss ein Arbeitgeber beweisen, dass er den Arbeitnehmer zum Nehmen des Urlaubs aufgefordert und darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub verfallen kann.

Durch diese Entscheidung des EuGH wird das deutsche Urlaubsrecht erheblich modifiziert. Ein Arbeitgeber kann nur noch dann auf den Verfall des Urlaubs vertrauen, wenn er seine Arbeitnehmer ausreichend belehrt hat. Welche Anforderungen an die Belehrung des Arbeitgebers zu stellen sind, haben die deutschen Arbeitsgerichte noch zu klären.

Für viele Arbeitnehmer, die in den vergangenen Jahren ihren Jahresurlaub nicht oder nicht vollständig genommen haben, könnte die neue EuGH-Rechtsprechung ein schönes Weihnachtsgeschenk darstellen.

Rechtsanwalt Alfred Lechner